Die Liebe in vielen Facetten, mit Ihrem Hochgefühl und den dazugehörigen dunklen Seiten findet im gesamten Werk Rainer Maria Rilkes ihren Niederschlag. Dass viele Gedichte des 1875 in Prag geborenen Lyrikers um dieses Thema kreisen, liegt auf der Hand, doch wo sich Leben und Werk so stark ineinander verschränken wie bei ihm, findet natürlich auch in der Prosa und in Briefen des Dichters eine Auseinandersetzung mit dem Wesen der Liebe und ihren Auswirkungen auf die Seelen der Liebenden statt. Im Laufe seines Lebens lernte Rilke eine Reihe von Frauen kennen und lieben, darunter die Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé und neben weiteren Künstlerinnen die Malerinnen Clara Rilke-Westhoff (auch Bildhauerin) und Paula (Modersohn-)Becker, um nur einige der bekanntesten zu nennen. Diese Lieben beeinflussten nicht nur seinen Lebeslauf in zum Teil erheblichen Maße, sondern haben ihren Widerhall auch in seinem Werk gefunden. Über diese konkreten, biographischen Bezüge hinaus beschäftigte sich der Lyriker auch mit einer idealisierten Form der Liebe, einem Konzept der „großen Liebenden“.
In diesem, im Januar erschienenen, insel taschenbuch sind also folgerichtig nicht nur Gedichte von Rilke versammelt, sondern beispielsweise auch Auszüge aus „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Ergänzt werden Rilkes Gedanken zur Liebe durch Briefe und Briefentwürfe, in denen er seine Gedankengänge weiter ausbreitet.
„Immer übertrifft die Liebende den Geliebten, weil das Leben größer ist als das Schicksal. Ihre Hingabe will unermeßlich sein: dies ist ihr Glück. Das namenlose Leid ihrer Liebe aber ist immer dieses gewesen: daß von ihr verlangt wird, diese Hingabe zu beschränken.“
Ein schmaler, jedoch intensiver Band, der nicht in einem Zuge gelesen werden will, sondern langsam und in kleinen Stücken. Er bündelt beispielhaft einige zentrale Werkstellen für eine vertiefte Auseinandersetzung mit Rainer Maria Rilkes Verständnis von Liebe. Es dürfte jedoch hilfreich sein, bereits das eine oder andere dieses Ausnahmedichters gelesen zu haben, um die Zeilen Rilkes besser einordnen zu können. Von einem kurzen, wenn auch erhellenden Nachwort abgesehen, stehen die Werkauszüge dieses sprachgewaltigen Dichters nämlich unkommentiert nebeneinander.
Rainer Maria Rilke: Liebe. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Raoul Walisch
Insel Verlag 2015, insel taschenbuch 4352, Broschur, 125 Seiten
ISBN: 978-3-458-36052-0
D: 7,00 €
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