Heute, am 21. Januar 2015, jährt sich der Todestag von Mascha Kaléko, einer der wichtigsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie verstarb nach einem an Schicksalsschlägen reichen Leben 1975 in Zürich. Mit ihren Gedichten, deren Wehmut und Melancholie durch Spott und Ironie gebrochen werden, eroberte sie die Herzen des Publikums, das seine Nöte und Gefühle in den Versen gespiegelt sieht. In Ihrer Lyrik verarbeitete sie jedoch auch ihre Liebe genauso wie das, was ihr an Verlusten in ihrem Leben widerfuhr.
Mascha Kaléko wurde am 7. Juni 1907 in West-Galizien als erstes Kind des russischen Kaufmanns Fischel Engel und der aus Österreich stammenden Mutter Rozalia Chaja Reisel Aufen geboren. Schon in ihrer Kindheit wird sie drei Ortswechsel erleiden, was sicher begünstigt haben wird, dass das Mädchen schön früh ein Gefühl des „Nicht-Dazugehörens“ entwickelte. 1914 emigriert die ostjüdische Familie nach Deutschland, dort ziehen sie mehrfach um, zuletzt 1918 nach Berlin.
Nach der Schule macht sie eine Bürolehre. Sie liest viel, schreibt Gedichte und hört als Gastleserin Kurse in Philosophie und Psychologie. 1928 heiratet sie den Philologen und Journalisten Dr. Saul Kaléko. Ein paar freundliche Jahre folgen der eher schwierigen Kinder- und Jugendzeit. Erste Gedichte werden 1929 in Zeitschriften gedruckt, ab 1930 werden es mehr. Mitte des Jahres beginnt das Berliner Tageblatt regelmäßig ihre Lyrik zu drucken, andere Zeitschriften wie die Berliner Montagspost oder der Simplicissimus folgen. Trotz dieser ermutigenden Erfolge gibt sie ihre Arbeit in einem Büro zunächst nicht auf, auch nicht als sie vom Dezember 1931 bis Mai 1932 jeden Montag in der Welt am Montag ein Gedicht veröffentlicht und damit Erich Kästner, der vorher diese Rubrik bediente, ablöst. Gerade auch durch ihre Angestelltentätigkeit ist sie den Freuden und Nöten der Menschen nah und kann sie auf ihre ganz eigene Weise auf den Punkt bringen. Innerhalb kurzer Zeit gehört die junge Frau, die mit ihren ironisch-melancholischen Versen das Lesepublikum bewegt und im Sturm erobert, zur literarischen Szene der deutschen Hauptstadt. Durch die Unterstützung von Franz Hessel, Schriftsteller und Lektor beim Rowohlt Verlag, kommt es 1933 zu Veröffentlichung ihres ersten Gedichtbandes. Das lyrische Stenogrammheft erscheint im Januar 1933 bei Rowohlt.
Doch mit dem Machtantritt der NSDAP ändern sich die Bedingungen, der Druck auf politische Gegner, kritische Künstler und insbesondere Juden steigt. Wenige Monate später werden ihre Verse in den Zeitungen nicht mehr gedruckt, noch kann sie aber Werbetexte, etwa für die Deutsche Grammophon Gesellschaft, schreiben. Im Jahr 1934 erscheint noch ihr Kleines Lesebuch für Große. Gereimtes und Ungereimtes, welches nur wenige ironische oder kritische Töne enthält. Mascha Kalékos Bücher verkaufen sich so gut, dass der Verlag Neuauflagen drucken lässt. Diese werden jedoch noch in der Druckerei beschlagnahmt. Im August 1935 folgt der Ausschluss aus der Reichsschriftumskammer, ihre Bücher dürfen weder verkauft noch gedruckt werden.
In diesem Jahr lernt sie auch den jüdischen Komponisten und Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver kennen und lieben. Er ist ihre große Liebe. Ihr gemeinsamer Sohn Avitar Alexander wird am 28.12.36 geboren, sie heiraten im Januar 1938. Das junge Paar ist glücklich, das Berufsverbot setzt ihnen jedoch wirtschaftlich zu, denn die Einnahmen versiegen immer mehr.
Ein Leben in der Fremde: „Zur Heimat erkor ich mir die Liebe“
Sie bereiten die Emigration vor und reisen im September 1938 über Paris und Le Havre nach New York. Zu diesem Zeitpunkt ist Mascha Kaléko 31 Jahre alt und muss praktisch wieder bei Null anfangen, da man sie in den Vereinigten Staaten nicht kennt. Es folgen entbehrungsreiche Jahre, in denen Kaléko vor allem den beruflichen Fortgang ihres Mannes unterstützt. Doch die Liebe zu Mann und Kind hält sie aufrecht und erfüllt sie. Als sie wieder zu dichten beginnt, ändert sich der Ton ihrer Lyrik, in der nun kritische Melancholie vorherrscht. Die von Emigranten gegründete jüdische Wochenzeitung „Aufbau“ bleibt zunächst ihre einzige Publikationsmöglichkeit. Erfahrungen ihrer Emigrationszeit verarbeitet Kaléko in dem Gedichtband Verse für Zeitgenossen, der 1945 erscheint. Dieses Buch sprüht wieder voller Witz und Ironie, die sich in die Wehmut ihrer Zeilen mischen.
Silvester 1955 bricht sie zum ersten Mal, und mit großen Vorbehalten, zu einer Reise nach Deutschland auf. Beruflich ist der Besuch ein großer Erfolg: Eine Neuauflage ihrer ersten Bücher sollen bei Rowohlt erscheinen, die Bücher verkaufen sich gut. Sie gibt Interviews und macht Radio-Lesungen. Der Berlin-Besuch bewegt sie sehr. Mascha Kaléko sucht ihre alte Heimat und findet Erinnerungen, viel Zerstörung und nicht verheilte Wunden. Dort in Berlin findet sie auch unverhofft ihre totgeglaubte Schwester Lea wieder.
In den kommenden Jahren unternimmt Kaléko immer wieder Reisen nach Europa. So ganz ist sie in der Fremde nie angekommen und als Dichterin in deutscher Sprache ist sie, sowohl vom Seelischen als auch von den Publikationsmöglichkeiten her, in diesem Kulturkreis zuhause. Die Karriere der Dichterin entwickelt sich in den folgenden Jahren wieder etwas besser, aber letztlich kann sie nicht ganz an ihren früheren Erfolg anknüpfen, obwohl sie von den Lesern nach wie vor sehr gut aufgenommen wird.
Ihrem Mann zuliebe, der seine Musiker-Karriere dort besser fortsetzen kann, zieht das Ehepaar im Herbst 1959 nach Jerusalem. Dort drehen sich die Rollen um. War es in den Vereinigten Staaten so, dass Chemjo Vinaver kaum Englisch sprach und sie für ihn übersetzte, ist sie nun Israel nicht der Sprache mächtig. Dadurch gerät sie in eine Isolation unter der sie sehr leidet. Sie wird vom Alltag aufgefressen und ihre literarische Produktion nimmt ab. Der Tod des Sohnes 1968 setzt dem Paar schwer zu. Kalékos Mann, der schon länger gesundheitliche Probleme hatte, starb 1973 und mit ihm ein wesentlicher Teil von ihrem Lebenssinn.
Wer tiefer in das Leben von Mascha Kaléko eintauchen möchte, dem sei die lesenswerte Biographie von Jutta Rosenkranz empfohlen. Als Einstieg in das Werk der Dichterin bietet sich das Buch „Mein Lied geht weiter“ (siehe Abbildung) an, in welchem die Herausgeberin und Vertraute Mascha Kalékos, Gisela Zoch-Westphal, 100 Gedichte präsentiert, eine schöne Auswahl, die die wichtigsten Stationen und Lebensthemen der Dichterin widerspiegelt.
Wer kann nach dieser einfühlsamen und sachkundigen Rezension noch der Neugierde widerstehen sich erstmals von dem poetischen Werk von Mascha Kaléko bezaubern zu lassen?
Danke für diese verheißungsvollen Empfehlung.
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Danke für das freundliche Feedback – bitte lassen Sie uns doch wissen, wie Ihnen die Gedichte gefallen haben! /red
Es gab einzelne Gedichte, welche „für sich“ stehen und im einfachen Ton etwas zeitloses und Wahres andeuten und die mir sehr gefallen haben. Dann gab es viele Gedichte, in welchen deutlich wurde, dass Mascha Kaléko ihre „Gebrauchslyrik“zur Verarbeitung ihrer tragischen Schicksalsschläge schrieb und um deren Tiefe besser zu ergründen, ein Blick in ihre Biographie wohl ratsam wäre. Ab und an liest man bei ihr einen Anflug von Ironie heraus. Dazu eine Prise Berliner Lokalkolorit, zumindest das Weh im Heimweh blieb. Ihr latent mitschwingender melancholische Schwermut gebärt sich dabei erstaunlich leicht. Alles in allem eine lohnende Entdeckung, auch wenn man den… Read more »
Schön, dass Sie Gefallen an den Versen Mascha Kalékos gefunden haben und recht herzlichen Dank für die Rückmeldung. Ein Blick in ihre Lebensgeschichte erhellt sicher viele Details mancher Gedichte, verdeutlicht die Ursache des Schmerzes, den sie ausdrückt. Von daher kann es sinnvoll sein, sich mit ihrem Lebensweg auseinanderzusetzen, das ist sicher richtig. /red