Boy in a White Room von Karl Olsberg ist ein packender Thriller für Jugendliche.
Er erwacht in einem weißen Raum und hat keine Erinnerung. Wer ist er? Wie ist er hierhergekommen und warum ist er eingesperrt? Wenigstens gibt es in dem Raum eine Computerstimme, die sich Alice nennt und wenn diese ihm auch nicht sagen kann, wer er ist, so kann er mit ihrer Hilfe doch wenigstens im Internet recherchieren und sich die Ergebnisse auf den weißen Wänden anzeigen lassen. Das ist der Ausgangspunkt des Thrillers Boy in a White Room, der sich in teils schwindelerregender Weise um das Thema Identitätsfindung und künstliche Intelligenz dreht.
Die Hauptfigur beginnt zu recherchieren und findet dann schnell eine heiße Spur. Denn auch wenn er nicht weiß wer er selber ist, kann er doch Wissen abrufen mit dem er beispielsweise eingrenzen kann, wo auf der Welt sich der Internetanschluss befindet den er benutzen kann. Über weitere Suchergebnisse und logische Schlüsse, die er daraus zieht bekommt er konkrete Hinweise, wer er sein könnte.
Was ist die Realität?
Doch was sich schnell als relativ sichere Wahrheit darstellt, wird bald in Frage gestellt. Was sicher schien, wird umgeworfen, was real schien erweist sich als trügerisch. Wem kann er vertrauen und was ergibt sich daraus für seine Existenz? Wie soll man sich in einer solch unklaren Situation mit lauter unbekannten Variablen seiner selbst vergewissern?
Bestseller-Autor Olsberg, der übrigens über künstliche Intelligenz promovierte, schickt seine Hauptfigur nicht nur auf die spannende Suche nach der eigenen Identität, sondern wirft auch die Frage nach den Risiken künstlicher Existenz wie überhaupt der Frage nach der Realität auf. Was ist real und wie können wir sicher sein, was real ist? Wie kann man unterscheiden, ob man sich in der „Realität“ befindet oder in einer virtuellen Realität? Bin ich eigentlich noch real, wenn ich mich in einer virtuellen Welt bewege? Bin ich?
Philosophischer Roman im Gewand eines Thrillers
Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich. Diese verkürzte Aussage des Philosophen René Descartes, der von einer möglichen Täuschung der Sinne des Menschen ausging, spielt in Boy in a White Room im mehrfachen Sinne eine Rolle. Zwar könne diese Täuschung möglicherweise verhindern, dass er erkennen kann was real ist, so Descartes, aber doch könne er zweifelsfrei davon ausgehen, dass es ein ich geben müsse, das diese Gedanken denkt. Letztlich ist dies auch die einzige halbwegs sichere Erkenntnis, auf die sich der Junge im weißen Raum stützen kann.
Neben der Anspielung auf Descartes arbeitet Olsberg passender Weise auch mit Motiven aus Klassiker „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll.
Der Leser durchlebt die Geschehnisse des Thrillers unmittelbar aus der Sicht des Helden. Dank Olsbergs packender Erzählweise erlebt er damit die Verunsicherung und Orientierungslosigkeit der Hauptfigur hautnah. Das kann einem dann schon fast zu viel werden, weil man selber auch nicht mehr einschätzen kann, was Sache ist, ist aber doch genau folgerichtig. Dass man als Leser ebenso orientierungslos ist wie die Hauptfigur bereitet nämlich den Boden für die überraschende Wendung und den Showdown am Ende des Buches. Der irritiert zwar, kann man doch als Leser nicht einschätzen, welche Folge das Handeln des Helden haben wird. Genau das aber wird auch die Gedanken nach der Lektüre noch lange beschäftigen – grandios!
Fazit: Boy in a White Room ist ein spannender Pageturner mit philosophischem Tiefgang. Er kommt als Thriller daher und ist doch viel mehr als nur spannende und actionreiche Unterhaltung. Das Buch wird für jugendliche Leser ab 14 Jahren empfohlen und ist für diese Lesergruppe auch sehr gut geeignet. Doch es hat auch genug Potential für erwachsene Leser die sich für die Themen künstliche Intelligenz, virtuelle Welten und die Zukunft der Menschheit interessieren!
Karl Olsberg: Boy in a White Room. Loewe Verlag 2017, Ab 14 Jahren
288 Seiten
ISBN 978-3-78558780-5
[D] 14,95€ [A]15,40€