Mit einem Bilderbuch Kindern depressiver Elternteile die Krankheit begreifbarer machen.
Etwa 20 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik erkranken im Lauf ihres Lebens an einer Depression. Es trifft alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen gleichermaßen. Daher liegt es auf der Hand, dass auch Elternteile von kleinen Kindern an Depressionen erkranken – mit Folgen für die gesamte Familie.
Die tiefe Traurigkeit und die Antriebslosigkeit des betroffenen Elternteils hat starke Auswirkungen auf alle Familienmitglieder, Kinder sind jedoch insofern besonders schwer betroffen, da sie oft denken, sie seien schuld am veränderten Verhalten von Mutter oder Vater. Hier setzt das vor wenigen Tagen erschienene Buch „Als Mama nur noch traurig war“ an, denn es erklärt an einer Geschichte kindgerecht das veränderte Verhalten des erkrankten Elternteils und deutet Wege zur Genesung der erkrankten Mutter an.
Die Mutter des fünfjährigen Jan ist an einer Depression erkrankt. Sie ist müde und antriebslos, mag Jan nicht mehr abends vorlesen, kann nicht mehr wie gewohnt auf Jan reagieren und fühlt sich von allem überfordert. Sie erträgt es nicht, wenn Jan Freunde zu Besuch hat, geht nicht mehr ans Telefon und auch die Paarbeziehung leidet. Aber auch Jan leidet sehr, denn wie es bei Kindern häufiger der Fall ist, hält er sich für verantwortlich. Bestimmt wäre seine Mama wieder so wie früher, wenn er immer lieb und brav ist, oder?
Nein, eben nicht. Denn es liegt eben nicht an Jan, dass Mama so verändert ist, sondern an den Grummelgramen, so wird es den jungen Lesern erklärt. Die haben sich nämlich bei Mama eingenistet und gaukeln ihr vor, dass alles schlecht, grau und sinnlos ist. Noch haben die Grumelgrame sie im Griff, aber mit der Unterstützung eines Psychotherapeuten und ihrer Familie wird sie sie vertreiben. Das alles wird Zeit brauchen, aber jetzt, da Jan weiß, dass Mama ihn liebt, und zwar auch in den Zeiten in denen sie traurig ist, und dass ihre Krankheit überhaupt nichts mit ihm zu hat, kann er aufatmen.
Verpackt wird das alles in eine Geschichte aus der Sicht von Jan, in der bei aller Ernsthaftigkeit der Problematik immer wieder Witz durchblitzt. Diesen Part übernimmt besonders der Psychotherapeut der Mutter, der Jan auch erklärt, was mit seiner Mutter eigentlich los ist. An dieser Stelle kommt im besonderen Maße auch die Illustration des Buches mit ins Spiel.
Der Illustratorin gelingt es durch eine klare Bildsprache, die Wahrnehmung der Mutter im Vergleich zur Realität bildlich deutlicher darzustellen, als es Wörtern alleine möglich wäre. So gibt es beispielsweise einige Klappen, bei denen auf der Außenseite in bunten Farben die Wirklichkeit dargestellt ist, während sich hinter der Klappe offenbart, wie grau und negativ die Situation aufgrund der Krankheit von der Mutter wahrgenommen (im wahrsten Sinne des Wortes für-wahr-genommen) wird. Schön sind auch kleine, aber symbolträchtige Details in den Illustrationen, die geschickt die Situation widerspiegeln.
Das Kinderbuch schließt mit einem Ratgeberteil für Erwachsene, welcher von der Diplom-Psychologin Ina Knocks geschrieben worden ist. Neben Hintergrundinformationen bietet er ein paar grundlegende Ratschläge für betroffene Familien, weiterführende Tipps zu Hilfsangeboten im Internet und einen Buchtipp.
Fazit: Ein besonders empfehlenswertes Bilderbuch zum Thema Depression, das sehr geeignet ist Kindern psychisch kranker Eltern verständlicher zu machen, was mit ihrem kranken Elternteil los ist. Es eignet sich sehr gut auch als Anknüpfungspunkt für Gespräche mit Kindern.
Anja Möbest (Text) / Barbara Korthues (Illustration): Als Mama nur noch traurig war. Wenn ein Elternteil an Depression erkrankt. Coppenrath 2017, ab 4 Jahren.
ISBN 978-3-649-62021-1
[D] 14,95 €
Die Wahrnehmung der Mutter im Vergleich zur Realität bildlich deutlicher darzustellen, als es Wörtern alleine möglich wäre, das wäre auch wichtig für all die Erwachsenen, die sich noch nie mit dem Thema Depressionen auseinandergesetzt haben. Ich finde es erschreckend, wie oft man mir Worte wie „Sache der Einstellung“, „werd zum Optimist“ und „Kopf hoch, wirds chon wieder“ entgegnet.
Dem stimme ich zu. Es scheint für Viele sehr schwer zu sein, sich in eine betroffene Person hineinzuversetzen. Solche Kommentare spiegeln manchmal aber auch die Hilflosigkeit der Sprechenden wider, die nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.